14.11.06

23. 5. IVG- Revision führt zur Anti-Integration Behinderter

Als einzige Behindertenorganisation ergreift das Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Schweiz, eine kleine Gruppe von Behinderten für ebensolche, das Referendum gegen die 5. IVG- Revision. Alle etablierten Helferorganisationen, die angeblich nur das Beste für die Behinderten wollen (oder vielleicht eher: das Beste von ihnen?), haben sich gegen ein Referendum und für die Revision ausgesprochen. Für ganz viele Betroffene ist dieser Umstand der mangelnden Solidarität völlig unverständlich und inakzeptabel.
Das vorliegende neue Gesetz wird vor allem eine Menge gut bezahlter Jobs für (nichtbehinderte) Behindertenversorger schaffen; durch sie würde ein ganzes Beamtenheer entstehen, dessen unmittelbare Kosten auf rund 400 Millionen Franken geschätzt werden ! Sie wären die einzigen Profiteure der 5. IV-Revision und zuletzt würden die Behinderten selber davon profitieren. Der von den Behinderten zu zahlende Preis jedoch wäre unendlich hoch: für sie würde es nun sehr rasch – noch viel schneller als heute – heissen: Ab in die geschützte Werkstatt, ab in die vollkommene Entmündigung! Was nichts Geringeres bedeutet als die Preisgabe ihrer Persönlichkeit und fundamentaler Menschenrechte an irgend einen oder eine wildfremde BeamtIn, ihre Aussetzung in die vollständige Willkür von Ignoranten und ein Gang in die absolute Perspektivlosigkeit.
Für die Finanzierung dieses Stumpfsinns wird den Behinderten eine saftige Ohrfeige versprochen: in den nächsten 18 Jahren sollen nämlich 751 Millionen Franken jährlich an Rentenausgaben gespart werden. Dies würde bedeuten, dass es für alle frisch behindert gewordenen Menschen (bei den allermeisten Betroffenen handelt es sich keineswegs um „Scheininvalide“) äusserst mühselig wird eine Rente zu bekommen. Und da die Arbeitslosigkeit bei Behinderten ausserordentlich hoch ist, sind (fast) alle Behinderten dringend auf eine Rente angewiesen. Beim Ohr genommen und mit der Rute von StaatsbeamtInnen getrieben werden nicht jene, die die IV-Revision zu züchtigen vorgibt, nämlich die „Scheininvaliden“ – deren Existenz ich übrigens keineswegs bezweifeln möchte und die selbstverständlich zu bekämpfen sind – , sondern es werden damit alle Behinderten bestraft.
Die einzig wirkliche, sinnvolle und dringend benötigte Sanierung der Invalidenversicherung erfordert echte Integrationsmassnahmen: Integration in der Schule, der Ausbildung, der Kultur, dem öffentlichen Verkehr, im Wohnungsbau und natürlich auch in der Erwerbsarbeit. Diese im Ausland schon seit Jahrzehnten erprobte echte Integration wird von zahlreichen Experten – beispielsweise von Prof. Feuser, Zürich oder Prof. Mürner, Fribourg – schon seit Langem gefordert.
Mittlerweile werden auch in der Schweiz erste Ansätze zur Integration behinderter Menschen mit Erfolg erprobt. Das hierzulande neue Integrationsprogramm, das zukünftig einerseits immense Einsparungen bei der IV mit sich bringen, andererseits aber auch die Lebensqualität von behinderten Personen unermesslich steigern kann, ist der „Pilotversuch Persönliche Assistenz“ ( vgl. www.fassis.net).
Die Verfasser der vorliegenden Revision – allen voran der ehemalige Chef einer wohlberüchtigten Helferorganisation und jetzt Direktor der IV – behaupten ebenfalls, sie hätten Integrationsmassnahmen vorgesehen. Schaut man aber genau nach, was im Gesetz steht, findet man nur Hinweise, die auf Zwangsarbeit in geschützten Werkstätten hin deuten. Haben geschützte Werkstätte irgendetwas mit Integration zu tun? Nein! Sie sind das genaue Gegenteil davon. Sie sind eine Segregationsmassnahme sondergleichen, mit einem einzigen Ziel: die betroffenen Menschen irgendwo an den Rand der Gesellschaft zu vertreiben und dort zu halten, sie ruhig zu stellen, sie zur „Arbeit“ zu zwingen und – jetzt neu – um sie um ihren gesetzlichen Rentenanspruch zu betrügen. Das alles unter dem absurden Vorwand, es sei zu ihrem Guten und würde sie glücklich und zufrieden machen.
Monatelanges Schrauben-Sortieren zu einem Stundenlohn von 2.80! Nein, das tut niemandem gut, macht niemanden zufrieden (ganz zu schweigen von glücklich) und schon gar nicht fit für die moderne Arbeitswelt. Im Gegenteil: es sind Orte, wo man lernt, „wahrhaftig invalid“, „richtig“ behindert zu sein.
Für die Zunft der BehindertenversorgerInnen, die nur allzu gerne im Namen von Behinderten spricht (und dabei grosszügig abkassiert, für sich selber wohlverstanden), wäre die 5. IV-Revision ein willkommenes Geschenk. Darum war auch kein Widerstand von Seiten der Helferorganisationen zu vernehmen. Für die Betroffenen selber hingegen – für die eigentlich die IV bestimmt wäre – wäre sie katastrophal. Ein harter Schlag ins Gesicht.
Darum fordere ich jede und jeden zur Unterschrift für das Referendum auf dem beiliegenden Unterschriftenbogen auf. Danke!

lic. phil. Gisep Buchli

1 Kommentare:

Anonymous Anonym sagte...

Am Mittwoch 15. November habe ich in der Südostschweiz den Leserbrief von Ruedi Haltiner (Geschäftsleiter der ARGO Chur) "Diffarmierung hilft nicht weiter" gelesen. Haltiner antwortet auf den Leserbrief von Gisep Buchli vom 9. November, den ich nicht gelesen habe und auch leider noch keine Zeit dazu gefunden habe ihn zu organisieren, aber der vom Inhalt nach, soweit ich mir das vorstellen kann, dem Bericht von Gisep Buchli "IVG-Revision führt zur Anti-Integration Behinderter" entsprechen müsste.
Im Leserbrief von Haltiner wird Gisep Buchli dazu aufgefordert, nachdem ihm eben von diesem "Geschäftsleiter" Frustration unterstellt wird und ein Hadern mit Gott un der Welt, die Werkstätte zu besuchen, um etwas dazuzulernen.

Falls du Gisep vorhättest dieses Angebot tatsächlich anzunehmen, würde ich dich gerne begleiten. Ich wohne in Chur, studiere Sonderpädagogik und habe dich an der Veranstaltung bei Feuser kennengelernt, dort hast du mit Miriban zusammen das Projekt fAssis vorgestellt.
Da ich deine e-mail Adresse aber nirgends finde, versuche ich über diese Seite Kontakt mit dir aufzunehmen, was vielleicht ein wenig ungewöhnlich ist, da es sich genau gemommen nicht um einen Kommentar zu deinem Bericht handelt, den du und sonstige LeserInnen an dieser Stelle vielleicht erwarten würden.
Meine e-mail Adresse: blanke.juengling@swissonline.ch

18/11/06 12:23  

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