3.7.07

31. Ein schönes Wochenende

Zwar haben meine Finanzverhältnisse für Ferien nicht gereicht, für ein freudiges Wochenende aber allemal: Ich war nämlich am St. Galler Open-Air. Was ich am meisten genossen habe, ist die Tatsache, dass ich endlich, endlich einmal die Tapeten gewechselt habe. Endlich habe ich mal nicht in meiner Wohnung übernachtet, sondern habe die St. Galler Hotellerie unterstützt. Und zu meinem grossen Erstaunen: Das Hotel war recht gut rollstuhlgerecht. Es war ein tolles Erlebnis und das schönste war für mich, dass mich das ganze nicht sehr viel gekostet hat. Wenn ich bedenke, dass zahlreiche meiner nicht behinderten Freunde sich praktisch jedes zweite Wochenende so etwas leisten (können) finde ich, dass ich mir das unvergessliche Wochenende und dazu mein 1. grosses Open Air durchaus habe leisten können. Ich konnte das erleben, was „Normale“ schon in der Pubertät durchmachen. Kurz: Ich habe das Gefühl, dass das Assistenzprojekt mich zum Leben erweckt.
Zu beklagen ist nur die vollkommene Rollstuhlfeindlichkeit der jämmerlichen SBB. Sowohl bei der Hin-, als auch bei der Rückfahrt hat man mich in ein winziges (da ich zu gross bin: ein Anormaler unter den Anormalen → ein Anormaler hoch zwei) Zugwagon hoch gehoben. Ins Abteil konnte ich aber nicht, sondern gelang schliesslich mit Müh und Not - nicht ohne unendliche Male mit dem Elektrorollstuhl gegen die Wand gefahren zu sein und den Rollstuhl fast demoliert zu haben - in den Speisewagen, der selbstverständlich nicht für Anormale wie mich vorgesehen war. So musste ich ständig für andere den Weg frei machen und musste mich unaufhörlich für meine Präsenz in diesem viel zu schmalen Abteil rechtfertigen.

1 Kommentare:

Anonymous Anonym sagte...

Gisep: "So musste ich ständig für andere den Weg frei machen und musste mich unaufhörlich für meine Präsenz in diesem viel zu schmalen Abteil rechtfertigen."

Dann ging es dir ja gleich wie mir als Mensch mit einer psychischen Behinderung, der sich dauernd dafür rechtfertigen muss, dass ich selbstständig wohne, frei herumlaufe und nicht in einer psychiatrischen Klinik untergebracht bin...

Als Mensch mit einer psychischen Behinderung ohne Zwangsjacke und ohne Weisskittel-Begleitung bin ich vor allem für Beamte und Politiker eine Provokation...

Leute, ich entschuldige mich niemals und bei niemandem für die Folgen meiner Behinderung. Ich würde es nicht mal dann tun, wenn man sich für die mir hingeworfenen Rücksichtlosigkeiten, die Häme und Behinderungen entschuldigen würde. Ich habe ein Recht darauf, mich für die Folgen meiner Behinderungen nicht entschuldigen zu müssen. Von diesem Recht mache ich konsequent und selbstbewusst Gebrauch, nicht mehr und nicht weniger. Auch wenn ich dafür sogar von Behindertenorganisationen (z.B. die ProCap) mit Untätigkeit und Ignoranz bestraft werde...

FEW things

15/7/07 00:06  

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