13.6.08

41. Über Josef Popper und weiter mit der Suche

Bevor ich über den fünften Assistenzbewerber mitteile, möchte ich noch ein Wort über “Duty to Die” beziehungsweise über Josef Popper verlieren:
Sein Beiname “Lynkeus” (gr. Luchsäugige) war nicht etwa der Mädchenname seiner Geliebten, sondern es handelte sich um sein Pseudonym. Ihn hatte ich zu Unrecht als Eugeniker bezeichnet. Seine Schrift “Das Recht zu leben und die Pflicht zu sterben” behandelt nicht die “Duty to Die” (im eugenischen Sinn), sondern ein ganz anderes Thema: das Unrecht des erzwungenen Kriegseinsatzes. Bei ihm müsste ich mich in aller Form - wenn er nicht schon lange gestorben wäre - entschuldigen. Ich habe den allzu oft - nicht etwa nur von Historikern gemachten - Fehler begangen, dass ich eine zufälligerweise ähnlich klingende Quelle zitiert habe, ohne sie geprüft zu haben…
Schon bevor ich den Blogbeitrag geschrieben hatte, bin ich auf jene Quelle gestoßen und hatte sie im Sozialarchiv tatsächlich gefunden. Da die Trams bekanntlich nicht Rollstuhlgerecht sind und die Benutzung vom Rollstuhltaxis auf max. zwei Fahrten pro Woche eingeschränkt wurden (Wieso wehren wir uns eigentlich nicht?) ist es für Leute wie mich ein rechter Kreuzweg (beziehungsweise: eine recht teure Angelegenheit) irgendwohin zu kommen. Nach reichlicher Überlegung, entschied ich mich doch noch für die Bestellung. So liess ich mir das Buch aus dem Archiv zukommen. Obwohl es keineswegs gratis und eine Bestellung sehr zeitaufwendig ist, liess ich mich darauf ein. So kam das Buch mit einiger Verspätung und ich musste zur Kenntnis nehmen, dass ich Josef Popper zu Unrecht angeklagt hatte. Sein Buch ist eine Lobschrift auf den französischen Aufklärer Voltaire (zu seinem 100 Todesjahr) und Josef Popper vertritt eine geradezu antieugenische Ansicht: Seiner Meinung nach ist ein Menschenleben mehr Wert als irgendein Treuegefühl und deshalb soll und darf niemand zu irgendeinem Kriegseinsatz gezwungen werden.

Aber natürlich stimmt es, dass die Pflicht zu sterben von Anormalen seit dem Anfang der Eugenik (von ihrem Erfinder selbst) gefordert wurde. Später, als Folge des kostbaren ersten Weltkriegs und als Konsequenz der Weltwirtschaftskrise, wurde die Ökonomisierung der Rassenhygiene zum Hauptprogramm der eugenischen Bewegung erkoren. So erschienen beispielsweise mehrere Schriften - in zahlreichen Auflagen - etwa mit dem Titel: “Was kosten die Minderwertigen den Staat?”

Aber nun zum Assistenzkandidaten: der junge Mann kam zu mir und stellte sich vor. Er machte einen sehr guten Eindruck auf mich, meinte aber er wolle mindestens 40% bei mir arbeiten. Was nur dann möglich wäre, wenn ich bei einem oder mehreren bereits angestellten Assistenten das Pensum reduzieren würde. Und dies ist nicht möglich. Und außerdem habe ich auch keine Lust dazu. Jene zwei Assistentinnen, für die ich jemand neues suche sind noch da und arbeiten bis Ende Juni: Bis dann muss ich jemand gefunden haben.