9.11.09

65. Diesmal: Eine komische Tragödie

Neulich war es wieder einmal so weit: Eine Pflegerin der bei mir tätigen Spitex kam eines Abends zu mir. Sie erschien wie damals ein bisschen zu früh, so wollte ich noch einen Abschnitt meiner Abendlektüre fertig lesen. Sie öffnete die Tür mit dem Notfallschlüssel, als sie sah, dass ich noch beschäftigt war, ging sie wortlos ins Zimmer und wartete. Dabei sprach sie mit deutlich wahrzunehmenden Worten. Als ich sie nachher fragte, mit wem sie denn geredet habe, gab sie mir zur Antwort: „Mnja… Mit… der Schwester“.
Darauf ich: „Ach sooo, sie haben mit ihrer Schwester telefoniert.“
Sie darauf: „Nein, nein… Nicht telefoniert.“
Ich: „Waaas?... Das verstehe ich nicht… Wie meinen sie das?“
Sie: „Mnjaaa“ und dabei nickte sie „Habe nicht angerufen… Habe einfach so mit der Schwester geredet.“
An dieser Stelle merkte ich, dass sie entweder den Verstand völlig verloren hatte oder dass sie mich veräppeln wollte, mich also für blöd hielt und Theater spielte. Ich hielt das Zweite für wahrscheinlicher… Um ihr die Lächerlichkeit der Situation vor Augen zu führen, entschloss ich mich, die Rolle als Schauspieler weiterzuführen und das Theater ad absurdum zu führen. Darauf fragte ich sie: „Aha! Was hat ihre Schwester denn gesagt?“
Sie darauf mit gesenktem Kopf und leiser Stimme: „Mnja… Gar nichts…“
Ich: „Kann es sein, das sie nichts gesagt hat, weil sie gar nichts gehört hat?“
Darauf antwortete sie nicht, blickte nur verschämt auf den Boden. Offenbar hatte sie die Lächerlichkeit der Situation erkannt.

Darauf sprach ich: „Bitte schauen sie auf dem Bett. Hat es ein Pyjama? Ich würde nämlich heute Nacht gerne ein Pyjama anziehen… Weil es nun zu kalt wird über Nacht…“
Sie: „Ja das verstehe ich gut. Auf dem Bett hat es aber kein Pyjama.“
Ich hatte nämlich – weil ich wusste, dass jene Frau nichts findet – von der Assistentin während des Tages die Pyjamahose aufs Bett legen lassen. Also meinte ich zu ihr: „Wenn sie vielleicht nicht auf dem Bett ist, dann wird sie wahrscheinlich daneben sein… Bitte suchen sie sie.“
Sie aber: „Ich finde keine Pyjamahose.“
Ich: „Ja bitte suchen sie.“
Sie darauf: „Aber ich finde nichts.“
Bevor ich die Nerven verlor, bat ich sie die Assistentin anzurufen und zu fragen, wo sie die Pyjamahose hingelegt hätte. Dies zu tun weigerte sie sich. Nach längerem Bitten rief sie die Assistentin doch noch an. Sie redete mit der Assistentin eine ganze Weile. Als sie sich schliesslich zu mir wandte und ich sie fragte, wo sie nun sei,
fragte sie mich: „Ja was denn?“
Ich: „Ja die Pyjamahose.“
Sie: „Mnja… Das weiss ich eben nicht.“
Ich: „Oh du mein Gott… Haben sie sie nicht gefragt?“
Sie darauf mit dumpfer Stimme: „Also… Nein… Also…“
Ich sah ein: Es war zwecklos… Nun rollte ich zum Lift und lies mich ins Bett hieven. Da sah ich die Pyjamahose schön auf dem Kleiderständer liegen und zeigte ihr, wo sie war: „Dort drüben“ und zeigte auf den Kleiderständer „Diese Pyjamahose sollten sie mir anziehen.“
Darauf sie: „Welche denn? Ich sehe nichts“
So versuchte ich noch einmal zu zeigen: „Dort die gestreiften Hosen nehmen und sie mir bitte anziehen.“ Also ging sie zum Kleiderständer, nahm sie in die linke Hand und sprach zu mir: „Mnja… Es tut mir leid, ich sehe keine Pyjamahose.“
Darauf ich: „Sie halten sie in der linken Hand“
Darauf zog sie mir die Pyjamahose an und meinte: „Moment mal… Ich… Ich muss… mal rasch auf den Balkon.“
Als sie etwa nach einer Viertelstunde wieder kam, fragte ich sie, was sie denn so lange auf dem Balkon gemacht habe.
Sie sagte: „Mnja… Ich musste nur mal…“
Ich: „Was mussten sie?“
Sie: „Mnja… Ich hab nur… Wollen sie die Zähne putzen? Ich muss nur rasch auf den Balkon“
Als sie wieder kam und mir die Zahnbürste bringen wollte, bestand ich auf eine Erklärung, wo sie die ganze Zeit gewesen sei, dass ich das wissen müsse… Ich sagte ihr, es wäre nämlich nicht das erste Mal, dass mir Geld auf mysteriöse Art und Weise abhanden gekommen wäre…
Darauf gab sie zu: „Ich habe nur rasch den Hasen rein gelassen.“
Ich: „Welchen Hasen?“
Sie: „Mnja… Den kleinen Hasen der Nachbarn.“
Wie so oft hatte sie wieder einmal einen Hasen in meine Wohnung mitgenommen. Okay… Darauf ging sie endlich. Gute Nacht.
Am nächsten Morgen kam eine andere Spitexfrau. Als erstes fragte sie mich, wo denn der Hase sei.
Ich: „Welchen Hasen?“
Sie: „Da draussen an der Tür steht ein Zettel: Liebe Frau S. bei Buchli ist noch ein Hase. Bitte stellen Sie ihn in den Käfig des Nachbars.“ Darauf zeigte sie mir die Notiz.
Ich: „Tatsächlich… Keine Ahnung wo der Hase ist… Mir hat Frau B. nichts gesagt.“
Darauf führte Frau S. mich aufs WC und gleichzeitig entdeckten wir den vom Hasen verschissenen Boden. Zum wahnsinnig werden! Darauf führte sie mich unter die Dusche und hievte mich dann ins Bett zurück um mich anzukleiden. Es gab Probleme bei den Schuhen: Sie bekam und bekam sie nicht an. Und ich beklagte schon sehr bald, dass mir die Füsse weh taten. Ich bat sie, sie solle bitte die Schiene besser anziehen. Darauf versicherte sie mir, dass die Schienen gut an seien. Nach etwa einer Stunde ahnte ich, dass die Schienen verkehrt waren. Als sie mir schliesslich das Kopfteil hochstellte, sah ich, dass die Schienen tatsächlich verkehrt angezogen waren. Also bat ich sie, mit letzter Kraft – denn mittlerweile taten meine Füsse sehr weh und wurde sehr spastisch – mir die Schienen zu wechseln. Da versicherte sie mir erneut, dass die Schienen gut angezogen wären und dass ich Ruhe bewahren soll: „Was ist denn heute mit ihnen los?“
Ach du Scheisse… Mit mir war gar nichts los… Als die Assistentin um zehn Uhr zu mir kam, war ich soeben in den Rollstuhl gesetzt worden. Eine rechte Qual. Aber das keineswegs zu vergleichen mit dem Erlebnis des Vorabends. Dass eine Pflegerin einen schwarzen Tag hat… Damit muss ich wohl leben. Ja, so hart es tönt, das ist wohl der Preis für ein selbständiges Wohnen einer schwerbehinderten Person. Das lächerliche Theater mit den Pyjamahosen, mit dem Hasen und die Pseudokommunikation mit der Schwester hingegen sind völlig inakzeptabel. Sie brachten das Fass zum überlaufen. Das war wirklich zu viel des Guten.

Erstaunlicherweise kommt diese Frau immer wieder – bis jetzt fünf Mal zu mir, als sie gar nicht zu mir kommen musste. Letzte Woche meinte sie beispielsweise bei einem solchen Vorfall: „Ja… Besser einmal zu viel, als einmal zu wenig.“
Heute Morgen ist es dann passiert, sie kam einmal zu wenig… Vergeblich wartete ich auf jemanden der Spitex. Ich wollte schier verdursten. Da kam um zehn Uhr meine Assistentin und rettete mich. Als ich noch im Bett lag, rief mich die Leiterin der Spitex an und entschuldigte sich für das Nichterscheinen der Frau B. und versicherte mir, auch sie habe erst vor zwei Minuten erfahren, dass Frau B. nicht beim mir erschienen sei. Wieso denn nicht, interessierte mich nicht gross und so fragte ich nicht danach. Aber ich verlangte, dass sie nie mehr zu mir kommt.

Pflegeberufe eignen sich definitiv nicht für geistig behinderte Menschen. Das habe ich mit dem Vorfall deutlich gemerkt. Dass die Spitexleitung doch versuchte, eine geistig Behinderte Person anzustellen ist zwar sehr zu respektieren. Aber mit dieser Person – es war übrigens nicht das erste Mal, dass sie nicht auftauchte - geht es wirklich nicht.
Diese tragische Geschichte, die ich hier „komische Tragödie“ genannt habe, ist ein politisches Problem. Man soll sich nämlich nicht der Naivität hingeben, dass eine Pflegerin für etwa 25.- in der Stunde – und das ist der Stundenlohn einer nicht ausgebildeten Person bei der Spitex – eine riesige Motivation mit sich morgens um sieben Uhr und abends um zehn Uhr zu einer pflegebedürftigen Person nimmt.
Man vergleiche etwa diesen Salär mit dem ca. 400 mal höheren Stundenlohn eines Pleite- Ospels oder eines anderen Finanzoligarchen (mehr als 1,6Mio Franken im Monat).
Der Krankenkasse kann man nun wirklich nichts vorwerfen. Sie würden der Spitex zu wenig auszahlen.
Nur ist es so, dass jede Spitex bei jedem Kunden ein Geschäft machen will. Schliesslich leben wir ja in einer kapitalistischen Welt. Und dafür habe ich natürlich Verständnis. Eine Spitexorganisation kassiert nämlich von den Krankenkassen etwa 65.- pro Stunde ein, bezahlt den einzelnen Pflegenden aber nur einen Bruchteil davon aus. Das Beste – und wie ich meine: die einzige gangbare Lösung - wäre, eine subjektorientierte Finanzierung auch bei der Pflege: Das Geld von der Krankenkasse sollte den Pflegebedürftigen selbst zugestellt werden. Und dieser könnte dann seine Pflegende selber einstellen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf eine Seite im Internet hinweisen: www.freiberufliche.ch. Auf dieser Seite gibt es aus der ganzen Schweiz Adressen von Privatpersonen, namentlich Pflegerinnen und Pfleger, die eine eigene Pseudospitex aufgezogen haben. D.h. sie gehen zu pflegebedürftigen Personen und kassieren das Geld von der Krankenkasse selber ein. Das Problem dabei ist folgendes: Damit sie zu einem Patienten kommen, stellen sie verschiedene Konditionen. Beispielsweise versicherte einer dieser Menschen, er würde am Abend nach sieben Uhr nicht mehr kommen, und welche pflegebedürftige Person möchte vor sieben Uhr im Bett sein? Ich sage ja nicht niemand. Es gibt sicher Menschen, die gerne um sechs Uhr schlafen gehen. Ich aber definitiv nicht. Es gibt sicher jedoch Leute, die nach neun Uhr aufstehen. Ich aber nicht… Jede Krankenkasse ist gesetzlich dazu verpflichtet, das Pflegegeld – wie mir meine Krankenkasse schon vor langer Zeit versicherte - nur an eine anerkannte Spitex auszubezahlen und nicht etwa an einen Patienten selber. Ich hoffe schwer, dass dies sich einmal ändert!

1 Kommentare:

Anonymous Anonym sagte...

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