8.9.05

3. Wie fand ich meine AssistentInnen?

Als ich schliesslich die Verfügung vom Amt für Zusatzleistungen bekam, war ich überhaupt nicht begeistert, im Gegenteil: man hatte mir versichert dass ich die Hilflosenentschädigung zuerst für meine Assistenz einsetzen muss, was konkret hiess, dass sie für mich wegfallen würde. Wie viele Schwerbehinderte, bekam auch ich eine Hilo, in meinem Fall eine Schweren Grades. D.h.: ich erhielt für die Abdeckung der durch meine Behinderung höher anfallenden Kosten einen Betrag von etwa Fr. 1700.- (was natürlich für eine Anstellung von Assistenz bei Weitem nicht ausreichte).

Nach reiflicher Überlegung kam ich doch zum Schluss, dass ich es mit dem Assistenzprogramm versuchen sollte: rein theoretisch hätte ich mit dem neuen System zwar viel weniger Cash, meine Ausgaben würden aber auch viel geringer werden. Und dies traf zu: während ich vorher für jedes Essen zwischen 25 und 40 Fr zahlte, kostet mich eine Mahlzeit etwa 5 Fr. und ausserdem ist es tausendmal besser als die vom Take away oder vom Restaurant und vor allem habe ich eine mir sympathische und von mir eingestellte Person, die mir das Essen eingibt (in meinem Fall eine dringend benötigte Assistenz, die vorher nicht, oder nur ungenügend erfüllt wurde).

Wie fand ich nun meine AssistentInnen? Als erstes dachte ich mir (und so wurde mir auch vom ZSL empfohlen), dass ich eine Koordinationsassistenz brauche, d.h. eine Person, die mir die ganze Buchhaltung macht und gewisse Termine vereinbart. Diese Person fand ich in Gestalt einer ehemaligen Kommilitonin und Kollegin. Diese fragte ich, ob sie Interesse hätte, bei mir als Koordinationsassistentin zu arbeiten. Nachdem ich ihr die Konditionen dargelegt hatte, sagte sie zu. Zwei andere AssistentInnen kannte ich bereits von der Abschlussprüfung: diese hatten mir mein Diktat bei den Prüfungen mit grossem Erfolg abgenommen. Eine weitere Person, die das grösste Pensum bei mir hat, hatte ich am Tag meiner positiven Entscheidung der Teilnahme am Assistenzsystem mündlich gefragt, ob sie gerne bei mir arbeiten (etwa 70%) würde. Diese arbeitete in einem Arbeitslosenprojekt, ein nahegelegenes Café Bistro und suchte schon seit einiger Zeit vergeblich eine Arbeitsstelle. Ohne zu zögern willigte sie ein: ich bin sehr froh, sie gefunden zu haben und sie ist sehr glücklich wieder angestellt zu sein. Es gibt noch eine angestellte Person, die mir einmal in der Woche kocht. Sie ist Studentin und jobbt im Schwimmbad, wo ich jeweils am Dienstagabend hingehe. Da ich mir die Einstellung von AssistentInnen viel komplizierter vorstellte, hatte ich noch bevor ich alle gefragt hatte, eine schriftliche Annonce an der Universität ausgehängt und eine Anzeige auf der Homepage des ZSL und jener der Fassis aufgegeben: darauf bekam ich mehrere Mails, denen ich allen absagen musste. Kurz: Jobs sind gefragt.


Nun kann ich meine Korrespondenz - auch telefonisch - wunderbar erfüllen. Auch bin ich beispielsweise für das ZSL (auf der Homepage, und regelmässig schreibe ich Leserbriefe). Manchmal unternehme ich mit meiner/m AssistentIn kleinere Ausflüge.

Nach dem Studium habe ich mich für eine Dissertation entschieden. Nun kann ich mich ganz darauf konzentrieren, weil ich dank der Assistenz endlich in einem stabilen Umfeld lebe, das ich mir selber ausgesucht habe, und mir nicht mehr täglich existentielle Sorgen machen muss. Wenn ich Assistenz schon während des Studiums gehabt hätte, wäre mir sehr viel Zeit eingespart worden: ich hätte nicht etwa 19 Semester studieren müssen, ich hätte bedeutend weniger Zeit bis zum Abschluss gebraucht, etwa – wie normal – 9 oder 10 Semester.

Mein Leben ist also bedeutend schöner geworden: ich bin der glücklichste Mensch des Erdballs!