15.8.08

45. Nietzsche und persönliche Assistenz

In diesem Blog möchte ich nicht über meine Erfahrungen mit dem Assistenzbudget preisgeben, oder besser gesagt: Ich möchte nur indirekt über das Assistenzprojekt reden. Neulich auf einem Flohmarktbummel habe ich mir ein altbekanntes Buch erstattet, das ich mir schon lange vorgenommen hatte bei Gelegenheit zu lesen. Es handelte sich um das Buch Mato regiert, von Friedrich Glauser. An ihm hatte mich besonders seine Biografie fasziniert: Er war psychisch behindert, dass heisst: Er wurde – wie wir alle - zu einem Behinderten gemacht.
Im gekauften Buch schilderte er seine Erfahrungen mit der Psychiatrie und obwohl seine Schilderungen sich in den dreissiger Jahren abspielten haben sie noch für die Gegenwart Geltung.
Siehe, was das historische Lexikon der Schweiz über Glauser schreibt.
Nachfolgend zitiere ich aus dem Buch „Moralischer Defekt“ von Thomas Huonker (2003):

Eine weitere Lektüre die ich wieder mal nach etwa zwanzig Jahren gelesen habe, ist das Buch Siddhartha von Hermann Hesse. Zwar hat es mich nicht so sehr fasziniert wie damals – heutzutage sehe ich das Ganze viel nüchterner, aber sehr gefallen hat es mir auf jeden Fall. Es ist ein sehr sehr schönes Werk, das ich jeder und jedem empfehlen würde.
Hesse nach Wikipedia

Erwähnen möchte ich noch einen Dauerbrenner, ein mich immer wieder aufs neue faszinierender, genialer und herausragender Dichter. Ich spreche von dem als Philosophen bekannten und behinderten Menschen Friedrich Nietzsche. Während des Gesamten zwanzigsten Jahrhunderts wurde häufig gefragt, was er wohl für eine Krankheit gehabt habe. Die bekannteste These war und ist – noch heute vertreten sie zahlreiche, wenn nicht die meisten Nietzschianer – jene Vermutung, die auch von Thomas Mann vertreten wurde: Dass sich nämlich Nietzsche während einer Sexorgie mit der grässlichen und hirnabbauenden Seuche Lues bzw. Syphilis angesteckt habe (vgl. dazu).
Wie ich schon bei Hermann gesagt habe, möchte ich wiederholen: Was er für eine Behinderung gehabt hat, muss uns nicht interessieren. Halten wir uns lieber an die Tatsachen: Nach der Emeritierung (dass heisst: Nach seiner Pensionierung) von seiner Basler Professur mit etwa fünfunddreissig Jahren, lebte er – vorallem wegen seiner periodischen Blindheit - mit persönlicher Assistenz und veröffentlichte während dieser Zeit viele, wenn nicht: die meisten seiner sehr cool geschriebenen Werke. Wie erwähnt: Meiner Meinung nach liegt seine Grösse nicht unbedingt im Philosophieren, sondern in der Philologie, in der schriftlichen Rhetorik. Er war ein Professor der Altphilologie und nicht der Philosophie. Und er schrieb - teilweise sehr schöne – Gedichte: Für einen Philosophen doch sehr erstaunlich.
Vergleiche, was Wikipedia über ihn sagt.

An dieser Stelle möchte ich noch Friedrich von Hardenberg, bekannt unter dem Namen Novalis, nennen. Er begann seine schriftstellerische Produktion erst kurz vor seinem frühen Tod: im Zustand der Behinderung (falls Behinderung überhaupt ein Zustand ist. Oder ist Behinderung eher ein Bewusstsein?). Er hatte eine - in der frühen Neuzeit sehr häufige und tödliche - Seuche aufgelesen. Möglicherweise: die Tuberkulose.
Wikipedia sagt folgendes über ihn.