19.10.10

81. Siebenstündige Qual

Heute kann ich wieder einmal klagend betonen, wie schwierig es ist, mit Assistenz zu leben. Bevor die Spitex am Samstagmorgen meine Wohnung verliess, bat ich – da ich nicht so gut geschlafen hatte – mich auf den Bauch zu drehen. Ich sagte: „In einer Stunde kommt mein Assistent. Der holt mich dann aus dem Bett.“ Die Stunde verging. Meine Lage wurde unbequem. Der Assistent kam aber nicht. Weder um 10 noch um 11 Uhr. Er kam auch nicht um 12 oder später. Er kam überhaupt nicht. Die Situation wurde immer mehr zur Tortur, je länger ich in dieser schmerzhaften Lage ausharren musste. Denn ich war so weit nach oben gerutscht, dass ich mich weder umdrehen noch die Decke vom Körper wegnehmen konnte. Inzwischen war mir auch extrem heiss. Die Folter dauerte insgesamt sieben Stunden, da die zweite Assistenz-Schicht erst um 16 Uhr begann. Vor lauter Aufregung und Verzweiflung hatte ich Durchfall bekommen. Bis ich gereinigt im Rollstuhl sass, war es 17 Uhr 30. Schlimm, was? Zum Kotzen!

Kaum hatte ich mich am nächsten Tag von diesem Schlamassel erholt, kam schon die nächste böse Überraschung auf mich zu. Auch am Sonntag wollte und wollte der Assistent – diesmal ein anderer – nicht erscheinen. Er kam mit ganzen drei Stunden Verspätung, entschuldigte sich aufrichtig in aller Form und versicherte mir, dass dies nicht mehr vorkommen würde: Er habe dummerweise verschlafen… Was sollte ich machen? Ich musste es hinnehmen und erzählte ihm die Geschichte, die mir am Tag vorher passiert war.

Mit diesem Erfahrungsbericht möchte ich aber niemanden von der Assistenz-Idee abbringen, sondern im Gegenteil darauf hinweisen, dass man solchen Situationen eben vorbeugen muss. Meine Konsequenz ist, dass ich mir so bald wie möglich ein Notruf-System anschaffen werde. Damit kann ich dann beim nächsten Notfall per Knopfdruck die Spitex alarmieren. Oder kann mir ein Leser oder eine Leserin meines Blogs einen anderen Tipp geben?

Feststeht dass solche Geschichten nicht mehr vorkommen dürfen. Die Situation am Samstag war für mich nicht ungefährlich. Die Frage, ob ein Heim die bequemere Alternative wäre, stellt sich für mich aber nicht. In einem Behindertenheim lernt man nämlich vor allem Verantwortung abgeben, vor sich hin vegetieren, sterben. Und da ich das nicht will, ziehe ich das selbstbestimmte Leben, d.h. in meinem Fall: mit persönlicher Assistenz und den entsprechenden Risiken, tausendmal vor. Denn persönliche Assistenz bedeutet: LEBEN.